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Einmal Casablanca bitte – Ein historischer Reisebericht

Intercity Marokko

Es ist ein Tag im Januar 1986. Im Dortmunder Hauptbahnhof hat ein modernes Reisezentrum die Fahrkartenschalter abgelöst. Hinter schoko-braunen Tresen sitzen Bahnbeamte, die mit damals top-modernen Computern Fahrkarten drucken. Lediglich Fahrkarten ins Ausland müssen von Hand geschrieben werden – nachdem der Bahnbeamte die Tarife der einzelnen Teilstrecken aus diversen Ordnern zusammengesucht hat. Einer dieser freundlichen Herren würde jetzt das ungewöhnlichste Ticket seiner bisherigen Bahn-Karriere schreiben müssen.


Ich ging zielstrebig zu einem der Fahrkartenverkäufer und bestellte meine Fahrkarte: „Einmal Casablanca und zurück, bitte“, sagte ich mit einem Lächeln. Der Mann hinter dem Tresen lachte herzlich und sagte, dass er auch gern mal dort hinfahren würde. Aber wer würde das schon mit der Bahn machen. Deshalb könnte ich ihm jetzt ruhig sagen, was ich wirklich kaufen wollte. „Ja die Rückfahrkarte nach Casablanca. In Marokko, Sie wissen schon.“, sagte ich. Der Mann wurde jetzt irgendwie blass und stammelte irgendwas von „gar nicht in Europa“ und „geht gar nicht“ und verschwand.


Irgendwann kam der Mann in der blauen Uniform mit allerlei Ordnern zurück und fragte noch einmal, ob ich denn wirklich diese Fahrkarte haben wollte. Die würde ja schließlich „nicht ganz billig“ sein. Als ich das bejahte, ging er ans Werk und nach einer guten halben Stunde war die Fahrkarte tatsächlich fertig. Von Dortmund über Paris, Madrid, Algeciras und Tanger nach Casablanca. Knapp 300 Mark kostete der Spaß. Aus heutiger Sicht nicht viel Geld für so einen langen Weg.


Zwei Tage später ging die Reise los. In Dortmund wartete ein Schnellzug nach Paris Nord. Den Hochgeschwindigkeitszug, der heute innerhalb weniger Stunden nach Paris fährt, den gab es damals noch nicht. Rund acht Stunden dauerte die Fahrt. Dort angekommen, begann der anstrengende Teil der Reise. Da der Zug aus Deutschland im Bahnhof Nord endete und der Zug in Richtung Spanien im Bahnhof Austerlitz. Den Weg zwischen den beiden Bahnhöfen legte ich mit der U-Bahn zurück. Mit Gepäck nicht gerade bequem.


Nach einer guten Dreiviertelstunde war ich endlich am richtigen Bahnhof. Von dort ging es mit einem Schnellzug nach Hendaye. Der spanische Grenzbahnhof war zugleich auch der Endpunkt des Europäischen Schienensystems. In Spanien fuhren damals alle Züge auf Breitspur. Aus diesem Grund musste man an dem Grenzbahnhof in einen spanischen Zug umsteigen. Auf dem Weg wurden dann auch gleich die Grenzformalitäten erledigt.


Am Vormittag schließlich kam ich in Madrid an. Dort war dann erst einmal Pause. Der Anschlusszug nach Algeciras fuhr erst am Abend. Wegen des knappen Budgets blieb nicht viel Gelegenheit, die Stadt zu erkunden. Es wurde deshalb ein langer und wenig spektakulärer Tag am Bahnhof. Am Abend konnte ich dann endlich in den Nachtzug steigen, der mich zur Hafenstadt Algeciras bringen sollte.


Am nächsten Morgen traf der Zug pünktlich am Zielort ein. Ich ging zum Hafen um nach der Fähre zu schauen, die mich auf die marokkanische Seite bringen sollte. Am Ticketoffice der Fährgesellschaft gab es dann eine unschöne Überraschung. Der Bahnbeamte in Dortmund hatte offenbar den Beleg für die Fähre vergessen. Das sei eine Durchschrift der Fahrkarte, die dann vor Ort zur Mitfahrt berechtige, erklärte man mir. Nach einiger Diskussion war man dann aber doch bereit, mich mitzunehmen.


An Bord der Fähre wurden bereits die Zollformalitäten für die Einreise nach Marokko erledigt. So verging die Zeit der Überfahrt wie im Fluge. Angekommen in Tanger, der marokkanischen Hafenstadt schlossen sich kurze Einreiseformalitäten an und dann war ich tatsächlich in Marokko. Die nächste Überraschung folgte nur Minuten später.


Am Hafen wartete ein moderner Intercity-Zug. Ich war damals schon öfter mit dem Zug in Europa unterwegs und wusste, dass zum Beispiel in Südeuropa eigentlich nur schrottreife Züge unterwegs waren. Dass nun ausgerechnet in Afrika moderne Züge fahren würden, hatte ich deshalb nicht erwartet.


Die Fahrt von Tanger nach Casablanca dauerte noch ein paar Stunden. Weil aber jedes Detail, der am Fenster vorbeiziehenden Landschaft unglaublich spannend war, verging die Zeit so schnell, als seien es nur ein paar Minuten gewesen.


Ich bin damals noch einige Monate in Marokko geblieben. Meine Gastfamilie hat sich rührend um uns gekümmert und uns einen Einblick in das Leben im Lande gegeben. Zwei Dinge, die mir neben der Schönheit des Landes in ständiger Erinnerung geblieben sind, waren die freundlichen Menschen und die unglaublich gute Küche.


Natürlich gab es damals noch keine Handies. So sind – heute unvorstellbar – während dieser Zugfahrt keine Fotos entstanden. Auf meinem Plan steht aber ein baldiger Wiederbesuch des Landes und einer Reise auf der damaligen Strecke. Dann werden natürlich auch ganz viele Fotos entstehen. Diese Reise erscheint jetzt besonders spannend, da sich seit damals sehr viel verändert hat. Französische Hochgeschwindigkeitszüge fahren bis nach Spanien und auch Marokko hat Hochgeschwindigkeitszüge im Einsatz.


Titelbild: ONCF E-Lok auf der Strecke zwischen Casablance und Oujda (2012)  Foto: Jean-Pierre Vergez-Larrouy [CC BY-SA 3.0]



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