Bahnabenteuer 2022: Vom Bodensee ins Ruhrgebiet

Nahverkehrszug Baden-Würtemberg Friedrichshafen

Bahnabenteuer 2022: Vom Bodensee ins Ruhrgebiet

Abenteuerreisen mit der Eisenbahn, darunter stellen sich die meisten Menschen wohl einen Ausflug nach Afrika oder vielleicht Asien vor. Die Deutsche Bahn und ihre Chefs in der Politik haben es jedoch geschafft, fast jede Reise innerhalb Deutschlands zum Abenteuer zu machen.


Ein kurzer Reisebericht eines unserer Autoren, der „nur mal eben“ vom Bodensee ins Ruhrgebiet fahren wollte…


Der Bodensee zählt zu den beliebtesten Feriengebieten in Deutschland, so kommen insbesondere in der warmen Jahreszeit zahllose Touristen ans schwäbische Meer. Aus wirtschaftlich ist die Region bedeutend, da viele namhafte Unternehmen ihre Heimat in der Region haben. Auch ich hatte einen geschäftlichen Termin am See. Als Bahnfan nehme ich natürlich den Zug. Eine umweltfreundliche, aber inzwischen eher anstrengende Art des Reisens.


Meine Reise beginnt in Friedrichshafen und endet in Dortmund. Seit einigen Jahren war ich nicht mehr dort und bin gespannt auf die inzwischen renovierte Strecke vom See in Richtung Ulm.


Nach nur 150 Jahren haben es die Verantwortlichen tatsächlich geschafft, die Strecke zu elektrifizieren. Das lässt auf höhere Geschwindigkeiten hoffen.


Tatsächlich sind die stinkenden Großdiesel aus dem Stadtbild verschwunden, die in der Vergangenheit die Züge gezogen haben. Attraktive Angebote für die Reise in die nächste Großstadt erwartet man jedoch vergebens.


Der IRE – steht wohl für „Express“ – nach Ulm ist ernsthaft ein Elektro-Triebzug (also ein Zug ohne Lokomotive), wie er in NRW als S-Bahn eingesetzt wird.


S-Bahn mit Holzbänken. So stellen sich die politisch Verantwortlichen in BaWü offenbar einen „Express“ vor…

Die Reisenden sitzen auf plüschbespannten Holzbänken, die hart und unbequem sind. Es gibt keine Steckdosen, dafür aber genau eine Toilette für hunderte Reisende. Ist die – wie so oft – kaputt, hat man eben Pech.


Immerhin, der „Express“ kommt pünktlich in Ulm an und die Fahrzeit ist seit der Modernisierung der Strecke kürzer.


Echte Qualitätszüge gibt es auf der Strecke übrigens auch. Einmal täglich fährt ein österreichischer „Railjet“ von Wien über Friedrichshafen bis nach Frankfurt. Scheinbar um den Passagieren den Spaß an den besseren Zügen der Österreicher zu verderben, hält dieser Zug jedoch an jeder „Milchkanne“ und ist deshalb viele Stunden unterwegs, bis er schließlich Frankfurt erreicht.


Meine Reise soll mit einem ICE weitergehen. Der wäre planmäßig innerhalb von rund vier Stunden bis nach Dortmund gefahren. Die randvolle Bahnhofshalle lässt mich jedoch ahnen, dass hier wieder irgendwas nicht in Ordnung ist.


Der Blick auf die Abfahrtstafel offenbart, dass mein Zug – und alle anderen Züge auch – heute rund zwei Stunden Verspätung hat. Grund sei eine Reparatur, steht auf der Anzeige und inzwischen auch in der Bahn-App.


Der Aufenthalt im Bahnhof gestaltet sich – wie beinahe immer in Deutschland – unwirtlich. Es ist eishalt. Das gesamte Bahnhofsgebäude wirkt gammelig. Einziger beheizter Aufenthaltsraum ist das „Reisezentrum“ – also der Fahrkartenladen der Bahn.


Hier stehen bereits zahllose Kunden in einer Schlange vor den mehrheitlich geschlossenen Schaltern. Ein frostfreier Stehplatz bleibt aber für mich.


Während ich hier herumstehe und von einem Café träume, denke ich darüber nach, warum dieser Bahnhof auch nach Jahrzehnten noch immer so gammelig aussieht und keinerlei moderne Ausstatung – nicht einmal Rolltreppen – hat. Aber diese Gedanken sollte ein Bahnkunde nicht verfolgen. Da könnte man schnell sehr sauer werden…


Einige hundert Reisende frieren in der gammeligen Bahnhofshalle in Ulm. Zugverkehr gibt es derzeit kaum. Irgendwas sei kaputt…

Stunden später fährt mein ICE ein. Beinahe hartgefroren freue ich mich über den gut klimatisierten Platz in dem modernen Zug. Die nächste Überraschung sollte aber nicht lang auf sich warten lassen.


Kurz hinter Stuttgart informiert die Bahnapp darüber, dass mein Zug nicht in Dortmund halten wird. Weitere Information gibt es nicht. Eine halbe Stunde später hat offenbar auch der Zugchef davon erfahren und informiert per Ansage darüber, dass die meisten Halte in NRW entfallen. Man würde aber in Köln Messe halten. Da könne man umsteigen.


Ich steige also rund zwei Stunden später am Kölner Messebahnhof aus. Dort war ich bisher nur durchgefahren und war gespannt, wie dieser recht neue ICE-Halt wohl aussieht. Mit mir zusammen suchen geschätzt 100 Reisende nach den Rolltreppen oder Aufzügen. Sie werden es ahnen: Die gibt’s nicht.


Nun werden viele hundert Kilo Gepäck von zahlreichen Senioren über mehrere lange Treppen zu den obenliegenden Bahnsteigen getragen, die Verbindungen nach Köln Hauptbahnhof versprechen. Den Eurocity, den man uns im Zug noch versprochen hatte, welcher uns hätte nach Dortmund bringen können, den gibt es hier übrigens nicht. Auch der hat Stunden Verspätung, weil irgendwo anders auch etwas kaputt war.


Nachdem ich 40 Kilo Gepäck bis ganz nach oben getragen habe, steige ch in einen wartenen den Nahverkehrzug, der laut Plan in 5 Minuten zum Hauptbahnhof starten soll. Sie ahnen es: Er fährt nicht.


Auf den Nachbargleisen fahren ständig Züge in die gewünschte Richtung. Nur unser Zug nicht. Informationen gibt es nicht. Wegen des schweren Gepäcks will ich nicht noch einmal umsteigen. So vergeht eine halbe Stunde. Nichts, was auf eine Abfahrt hindeuten würde, passiert. Schließlich wird auf dem Nachbargleis am selben Bahnsteig ein Zug zum Hauptbahnhof angekündigt. Ich steige dann doch um und siehe da, drei Minuten später bin ich da. Der Zug, in dem ich zuvor saß, steht wohl noch immer da…


In Köln angekommen, will ich den nächsten ICE in Richtung Dortmund nehmen. Der hat – wer häte es gedacht – mehr als eine halbe Stunde Verspätung. Am Hauptbahnhof gibt es aber zumindest eine Lounge. Dort kann man warten, ohne frieren zu müssen.


Happy-End: Irgendwann bin ich tatsächlich am Ziel angekommen.


Titelbild: IRE im Bahnhof Friedrichshafen Hafen



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